Menü

Artikel

Das Designsystem-Reifegradmodell: auf 7 Stufen zu mehr Struktur und Wirkung.

UX-Beratung mit Büros in Düsseldorf, München und Berlin | UX&ISenior UX-Berater Christian Korff von UX&I HamburgBernd Feldmayer
Von

Jasmin Amend, Christian Korff & Bernd Feldmayer

UX-Beratung mit Büros in Düsseldorf, München und Berlin | UX&I

Designsysteme gelten zu Recht als das Rückgrat digitaler Produktentwicklung. Sie ermöglichen skalierbare Interfaces, fördern die Zusammenarbeit zwischen Design und Entwicklung und beschleunigen Releases. Doch viele Unternehmen unterschätzen die Komplexität und Dynamik eines Designsystems.

Mit unserem Reifegradmodell helfen wir euch, den aktuellen Stand eures Systems realistisch einzuschätzen.

Warum ein Reifegradmodell für Designsysteme?

Reifegradmodelle schaffen Orientierung, gerade in komplexen Umgebungen. Sie machen sichtbar, wo ein Unternehmen steht, welche Potenziale ungenutzt bleiben und welche nächsten Schritte sinnvoll sind. Bekannte Frameworks wie das UX Maturity Model der Nielsen Norman Group zeigen seit Jahren, wie hilfreich ein strukturierter, objektiver Blick auf den eigenen Entwicklungsstand ist. 

In der Praxis von Enterprise-Organisationen stießen wir immer wieder auf eine Lücke: Zwar konnten wir eine generelle UX-Reife messen, aber nicht die Dynamik von Designsystemen, also jener technischen und organisatorischen Infrastruktur, die modernes Product Design erst skalierbar macht. Gerade bei Designsystemen, die tief in das Produkt, in Prozesse und in die Teamkultur hineingreifen, kann ein solches Modell weitreichende Möglichkeiten bieten. 

Aus diesem praktischen Bedarf heraus entstand unser Modell. In einem Projekt halfen wir, ein Designsystem nahezu von Grund auf zu entwickeln, und wir wollten unseren Fortschritt messbar machen. Dabei haben wir eine erste Einstufung vorgenommen und gemerkt, wie sehr sie half, Prioritäten zu klären und gemeinsame Ziele zu erreichen. Diese Erfahrung war der Ausgangspunkt. Wir wollten immer besser verstehen, wo Unternehmen mit ihren Systemen stehen, welche Muster sich wiederholen und an welchen Stellen Unterstützung den größten Effekt hat. So konnten wir unseren Kund*innen strukturiert helfen, ihr System ganz gezielt weiterzuentwickeln. Gleichzeitig fiel uns auf: Viele Organisationen schätzen sich selbst unpassend ein, weil ihnen Vergleichswerte fehlen. Zwar gibt es eine Vielzahl öffentlicher Designsysteme, von denen man Aufbau und Logik kopieren kann, bzw. an denen man sich orientieren kann, die zugrunde liegenden Prozesse und Strukturen sind aber selten transparent.

Unser Reifegradmodell schafft eine Grundlage: eine objektive Einschätzung, basierend auf realen Entwicklungsstufen, die Unternehmen hilft, ihren eigenen Standpunkt besser zu verstehen. 

Christian Korff

„Uns ging es nie darum, ein weiteres theoretisches Modell zu bauen. Wir wollten verstehen, wo Unternehmen wirklich stehen – und ein Werkzeug schaffen, das Gespräche erleichtert, Klarheit bringt und Fortschritt sichtbar macht.”

Christian Korff

Senior UX-Berater bei UX&I

Wie die Einstufung dein Unternehmen voranbringt

Auch wenn es spannend ist, die eigene Reife im Vergleich zu anderen Unternehmen zu erkennen und einzuordnen, ist das Modell nicht nur ein Benchmarking-Tool. Es geht nicht um den bloßen Vergleich, sondern um Orientierung. Es ist ein Spiegel, der zeigt, wo euer Designsystem heute steht und welche Schritte notwendig sind, um es nachhaltig weiterzuentwickeln. Jede Stufe beschreibt typische Muster in Organisation, Prozessen und Kultur. So lassen sich Stärken und Schwachstellen klar erkennen und priorisieren. Das Modell hilft euch auch, Entscheidungen fundiert zu treffen: Wo lohnt sich Automatisierung? Welche Rollen fehlen im System-Team? Welche Governance-Mechanismen werden nötig, um Skalierung zu ermöglichen?

Am besten funktioniert das Modell, wenn es interdisziplinär angewendet wird: Product Owner*innen, Designer*innen, Entwickler*innen und Stakeholder*innen aus dem Business betrachten zusammen den Status quo. Wichtig ist ein gemeinsames Verständnis über die aktuelle Einordnung, die spezifischen Herausforderungen und über die nächsten sinnvollen Investitionen. So entsteht eine hervorragende Basis, um mit vereinten Kräften und einem geteilten Problembewusstsein den Weg Richtung nächster Stufe anzugehen.

Was das Modell nicht leistet: Es ersetzt keine tiefgehende Analyse von Designsystem-Architektur, Prozessen oder Organisationsstrukturen. Es ist der Ausgangspunkt, nicht das Ziel. Sein größter Wert liegt darin, Transparenz und Dialog zu schaffen, und damit eine Basis, auf der sich Designsysteme strategisch weiterentwickeln können.

Was das Designsystem-Reifegradmodell leisten kann, und was nicht:

Das kann das Design-Reifegradmodell leisten:


Realistische, vergleichbare Einschätzung eures Designsystem-Reifegrads sowie der drei beteilgten Gewerke Design, Entwicklung und Governance


Orientierung durch die typischen Entwicklungsfolgen und deren Eigenschaften 


Motivation und Klarheit für die Weiterentwicklung


Struktur für Priorisierung und Entscheidungsfindung


Grundlage für Transparenz, Dialog und Team-Alignment


Unterstützung bei Governance, Skalierung und Rollenklärung

Separate Erkenntnisse für alle drei Gewerke: Design, Entwicklung 

Das kann das Modell nicht leisten:

Kein oberflächliches Ranking oder Scoreboard


Keine technische oder organisatorische Tiefenanalyse


Kein Ersatz für UX-, Architektur- oder Change-Strategie
UX-Beratung mit Büros in Düsseldorf, München und Berlin | UX&I

Die 7 Stufen der Designsystem-Reife

Unser Modell beschreibt sieben Entwicklungsstufen, von ersten Fragmenten bis zu einem strategisch verankerten Designsystem. Jede Stufe zeigt typische Muster, Herausforderungen und Chancen. Für die Einstufung sind drei zentrale Faktoren relevant:

  • Design: Komponenten, Tokens, Figma-Bibliothek, Guidelines
  • Entwicklung: technische Konsistenz, Automatisierung, Tooling
  • Akzeptanz & Integration: Nutzung, Kommunikation, Onboarding

Ein reifes Designsystem entsteht erst, wenn alle drei Bereiche im Gleichgewicht sind. Dabei ist es völlig normal, dass sich die Disziplinen unterschiedlich schnell entwickeln, etwa wenn das Design schon auf Stufe 4 („Growing“) steht, während die Entwicklung noch auf Stufe 1 („Absent“) verharrt. Ein zu großer Unterschied zwischen den Bereichen kann auch ein Indikator sein, warum das System in der Praxis noch nicht ideal funktioniert. Es kann zum Beispiel zunächst unwirksam sein, das System im Designbereich weiter zu verbessern, wenn die anderen beiden Bereiche noch hinterherhinken. So kann gutes Design erst entstehen, wenn es auch Kollaborationsmöglichkeiten für Designer*innen gibt. Gleichzeitig kann ein System, das inhaltlich zu elaboriert ist und dadurch zu viele oder zu komplexe Prozesse nötig macht, auch ein Blocker sein. Zudem können Strukturen, Naming-Conventions etc., die aus dem Design entstehen, hinfällig werden, wenn diese in der Entwicklung später anders definiert werden. Die Bereiche bedingen sich gegenseitig und müssen miteinander im Einklang wachsen.

Das Modell liefert dir zwei Kern-Ergebnisse: einerseits den Gesamtreifegrad des Designsystems, andererseits die Einzelbewertungen der drei Bereiche. Beides ergänzt sich und bietet ein realistisches Bild, wie weit euer System wirklich ist und wo ihr anpacken könnt.

Bernd Feldmayer

„Technische Reife bedeutet nicht mehr Code, sondern bessere Verbindungen. Wenn Design, Entwicklung und Governance ineinandergreifen, ist das System kein Hindernis, sondern wird zum Beschleuniger für alle.”

Bernd Feldmayer

Senior Frontend Engineer bei UX&I

Die 7 Stufen im Überblick

7 Stufen des Designsystem-Reifegradmodells: 1. Absent 2. Limited 3. Documented 4. Growing 5. Processual 6. Optimized 7. Innovative
7 Stufen des Designsystem-Reifegradmodells: 1. Absent 2. Limited 3. Documented 4. Growing 5. Processual 6. Optimized 7. Innovative

Stufe 1: Absent – Kein System in Sicht

In dieser Anfangsphase ist von einem echten Designsystem noch wenig zu spüren. Komponenten werden oft individuell erstellt, dupliziert oder improvisiert. Designentscheidungen werden immer wieder neu getroffen, und Entwickler*innen greifen auf eigene Lösungen zurück. Es gibt keine einheitlichen Richtlinien, keine zentrale Sammlung, keine Wiederverwendbarkeit. Jede*r arbeitet nach eigener Logik, was zu enormen Reibungsverlusten führt.

Stufe 2: Limited – Erste zaghafte Versuche

Einzelne Teams beginnen, Patterns und Komponenten zu sammeln. Hier und da tauchen erste Design-Guidelines auf, aber sie sind weder vollständig noch verbindlich. Es fehlen Naming-Konventionen, klare Strukturen oder ein übergreifendes Verständnis. Trotzdem zeichnet sich ein erster Wille zur Systematisierung ab. Oft ist es das “Button-File”, das immer wieder kopiert wird. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber noch weit entfernt von echter Skalierbarkeit.

Stufe 3: Documented – Ordnung im System

An diesem Punkt hat das System eine solide Basis: Komponenten, Tokens und Styles sind dokumentiert, übergreifend nutzbar und für Teams zugänglich. Es gibt eine zentrale Bibliothek – meist in Figma – mit einer gewissen Struktur. Auch die technische Seite zieht langsam nach: Komponenten im Code sind versioniert, dokumentiert und werden wiederverwendet. Das System wird als Ressource wahrgenommen, nicht als Projekt, sondern als Arbeitsgrundlage. Die Zusammenarbeit profitiert bereits spürbar.

Stufe 4: Growing – Das System entfaltet sich

Das Designsystem ist aus dem Schatten herausgetreten und wächst aktiv. Es wird produktiv genutzt, nicht nur im Design, sondern zunehmend auch in der Entwicklung. Neue Komponenten entstehen nicht mehr zufällig, sondern aus realen Anforderungen heraus. Teams nehmen am System teil: durch Feedback, Vorschläge oder Kollaboration. Gleichzeitig beginnen strukturierte Prozesse für Pflege und Erweiterung zu greifen. Das System hat eine Dynamik entwickelt: Es lebt.

Stufe 5: Processual – Der Maschinenraum läuft

In dieser Phase ist das Designsystem tief im Produktentwicklungsprozess verankert. Die Pflege und Erweiterung folgen klaren Prozessen, die durch Governance-Regeln unterstützt werden. Komponenten haben Lebenszyklen. Design und Code sind über automatisierte Toolchains wie Tokensync, CI/CD-Prozesse oder Test-Setups verzahnt. Teams wissen, wann und wie sie das System anpassen dürfen, ohne dass es zu Wildwuchs kommt. Die Zusammenarbeit zwischen Design und Entwicklung funktioniert reibungslos.

Stufe 6: Optimized – Perfekt abgestimmt

Das Designsystem ist vollständig in die Organisation integriert. Es ist flexibel genug für unterschiedliche Plattformen und Produkte, gleichzeitig stabil genug für konsistente Experiences. Prozesse sind automatisiert, Änderungen laufen über definierte Freigaben. Teams setzen bewusst auf das System und verlassen sich auf seine Qualität. Zugleich existieren klar dokumentierte Workflows, Metriken zur Nutzung und kontinuierliche Reviews. Das System ist ein “first-class citizen” im digitalen Ökosystem.

Stufe 7: Innovative – Das System denkt voraus

Ein Designsystem auf dieser Stufe ist mehr als nur Infrastruktur. Es ist ein aktiver Treiber für Innovation, technisch wie gestalterisch. Neue Paradigmen wie AI, neue Token-Standards oder Automation werden frühzeitig getestet und integriert. Das DS-Team agiert strategisch, initiiert Veränderungen und gibt Impulse in Richtung Produktvision. Es gibt regelmäßige Experimente, systemübergreifende Austauschformate und eine Kultur, die Veränderung willkommen heißt. Das System wirkt über seine Grenzen hinaus, es inspiriert.

Jasmin Amend

„Ein Designsystem ist dann wirklich reif, wenn es Teams hilft, Entscheidungen zu treffen, nicht nur Pixel zu setzen. Gute Gestaltung entsteht dort, wo Designsysteme Orientierung und Freiheit zugleich geben.”

Jasmin Amend

Senior UI-Designerin bei UX&I

Wo stehst du und was bedeuten die Stufen für deine Organisation?

So wie wir unseren Kund*innen mit unserem Designsystem-Reifegradsystem helfen, möchten wir allen Unternehmen die Möglichkeit geben, schnell und faktenbasiert ihre Reife herauszufinden. Deshalb haben wir den Designsystem-Reifegradrechner entwickelt. Er steht dir jetzt kostenlos auf unserer Website zur Verfügung. Das Ergebnis liefert dir nicht nur das aktuelle Level eures Designsystems, sondern auch Antworten auf diese wichtigen Fragen:

  • Was sind die typischen Merkmale und Herausforderungen eurer Stufe?
  • Welche Vision bringt euch jetzt voran?
  • Was ist die große Chance dieses Levels?
  • Wie könnt ihr nun ganz konkret weitermachen, um die nächste Stufe zu erklimmen.

Fazit

Designsysteme sind mehr als Sammlungen von Komponenten. Sie sind lebendige Systeme, die sich mit Organisation, Technologie und Kultur weiterentwickeln. Genau dafür bietet das Reifegradmodell eine gemeinsame Sprache. Es macht sichtbar, was bisher verborgen blieb: den tatsächlichen Entwicklungsstand, die Dynamik dahinter und das Potenzial, das schon vorhanden ist.

Wer seinen Reifegrad kennt, kann gezielter handeln – im Design, in der Entwicklung und in der Organisationsgestaltung. Das Modell hilft, Fortschritt nicht nur zu spüren, sondern zu belegen. Und es schafft Orientierung in einer Zeit, in der Komplexität wächst und Standards entscheidend werden.

So wird das Designsystem nicht länger als Nebenprojekt verstanden, sondern als strategischer Hebel für Qualität, Effizienz und Wirkung.

PS: Du wünschst dir Austausch zu eurem Designsystem oder einfach einen ersten Blick von außen? Lass uns gern sprechen, wir brennen für das Thema und sind gern für dich da.

Unsere Expert*innen

UX-Beratung mit Büros in Düsseldorf, München und Berlin | UX&I

Jasmin Amend

Senior UI-Designerin

Jasmins Herz schlägt für Design und Kunst. In ihrer Arbeit bringt sie die Liebe zur Ästhetik mit einer großen Portion Pragmatismus und Struktur zusammen.

Senior UX-Berater Christian Korff von UX&I Hamburg

Christian Korff

Senior UX-Berater

“UX ist nur nachhaltig, wenn alle mitziehen.” Christian Korff macht User Experience zum Teamsport und bringt sich besonders gern bei komplexen Systemen ein.

Bernd Feldmayer

Bernd Feldmayer

Senior UI-Engineer

Mit Fokus auf Designsysteme und Nutzerzentrierung entwickelt Bernd skalierbare Frontends und macht Teams durch Schulungen fit für den Alltag.

Inhaltsverzeichnis
  1. Warum ein Reifegradmodell für Designsysteme?
  2. Wie die Einstufung dein Unternehmen voranbringt
  3. Die 7 Stufen der Designsystem-Reife
  4. Die 7 Stufen im Überblick
  5. Wo stehst du und was bedeuten die Stufen für deine Organisation?
  6. Fazit

Keine neuen Artikel & Interviews mehr verpassen?

Auf LinkedIn folgen