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Sinn oder Nicht-Sinn: Was bringt (euch) unser Purpose?

Tobias Schlei, Geschäftsführer bei UX&I
Von

Tobias Schlei

UXI ist eine Purpose-Driven Organization

Ob auf individueller oder auf Organisationsebene – die Suche nach einem tieferen Sinn für das eigene Dasein und Tun ist allgegenwärtig. Doch wie viel Sinn hat der Sinn im Unternehmenskontext? Wem dient er, und warum? Was sorgt dafür, dass ein Purpose tief in die Organisation eingewoben ist und nicht nur Lippenbekenntnis bleibt?

In diesem Artikel berichten wir, wie wir zu unserem Purpose kamen – und warum nicht nur wir froh sind, dass wir ihn haben.

Hilfe, wir brauchen einen Purpose

Anfang gut, alles gut

In den Gründungstagen von UX&I ergab für uns vieles ganz natürlich Sinn. Uns war klar, dass wir den Status quo der Agenturwelt ablehnen. Dass wir anders arbeiten wollen. Dass wir Technologie als Diener der Menschheit ansehen, nicht umgekehrt. Dass wir alte Muster umschiffen wollen und nichts tun, nur weil es eben getan werden muss. Wir waren uns einig – vor allem in dem, was wir nicht wollen. Wenn die Entscheidung anstand, machen wir es so oder so, dann trafen wir sie. Mal an der Kaffeemaschine, mal in kleineren Meetings. Der Sinn unseres Tuns war eine innere Einstellung, die wir grundsätzlich alle teilten.

UX&I Büro in Düsseldorf (2015)
Wo alles begann: UX&I Büro in Düsseldorf (2015)

Plötzlich war etwas anders

Aus unserem ersten Büro in Düsseldorf waren in kurzer Zeit mehrere Standorte in ganz Deutschland entstanden. Die Gründungsmitglieder hatten überall tolle neue Kolleg*innen gewonnen. Eine Erkenntnis waberte immer aufdringlicher durch den Raum: Unsere Organisationsform funktionierte nicht mehr hundertprozentig. 

Wir sind gewachsen. Wir haben gemerkt, das Chaos nimmt zu, es werden mehr und mehr Menschen und es funktioniert nicht mehr, dass man zwischen Tür und Angel überlegt, gehen wir links- oder rechtsherum.

Entscheidungen waren schwieriger geworden. Wir konnten nicht davon ausgehen, dass das, was wir ohne zu überlegen im Blut hatten, auch anderen Mitarbeiter*innen als Richtschnur diente. Das gewachsene, dezentrale Setting erforderte neue Strukturen und klare Prinzipien.

Wie Sinn entsteht

Wir holen uns Unterstützung

Jede Menge Fragen standen vor uns: Wie können wir unsere Arbeitsweise und -kultur in ein festes, skalierbares Konstrukt gießen? Sollen wir eher Richtung Selbstorganisation steuern oder müssen wir hierarchischer werden? Auch wenn wir uns intern bereits mit Organisationsformen beschäftigt hatten, brauchten wir Profis an der Seite. Unsere Zusammenarbeit mit den Organisationsentwickler*innen von tealfox begann (und hält bis heute). 

Erst Sinn, dann Struktur

Die Suche nach der idealen Organisationsform führte uns ganz an die Basis, und damit zur Frage: Wofür stehen wir morgens auf? In einem systematischen Prozess führte uns tealfox dazu, unsere Haltung zur Sinnhaftigkeit unseres Tuns explizit zu machen. Wir wurden interviewt, führten Fishbowl-Diskussionen, warfen Sätze ein, welche von unseren Coaches paraphrasiert wurden. Wir stürzten uns in eine intensive Auseinandersetzung, die sich schließlich auf die wichtigsten Kernaspekte zuspitzte. Der wohl entscheidende drehte sich um die Überlegung, wie wir Technologie sehen. Folgen wir den Gedanken von Stewart Brand: “Once a technology rolls over you, if you’re not part of the steamroller, you’re part of the road”? Oder sind wir mit Stanislaw Lem optimistisch: “Jede Arbeit, die auch von einer Maschine erledigt werden könnte, ist des Menschen unwürdig.” Unser Purpose entstand letztendlich als Antwort auf die Frage: Arbeitet Technologie in Zukunft für den Menschen oder andersherum?

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Habemus Purpose

Nach all diesen Überlegungen und Diskussionen stand irgendwann der Satz, der heute die Basis unserer Organisation und all unserer Entscheidungen bildet:

We empower people to shape technology for the benefit of humans.

UX&I Offsite 2022 auf Mallorca
UX&I Offsite 2022 auf Mallorca

Die wichtigsten Bestandteile

Empower: Wir sind keine Agentur, sondern eine Beratung. Das heißt, wir versetzen unsere Kund*innen und auch uns selbst in die Lage, wirksam zu sein und auf unser jeweiliges Umfeld Einfluss zu nehmen.

Technology: Der Purpose versichert uns, dass wir morgen keine Sonnenbrillen verkaufen. Technologie ist unser Herzensthema, damit verdienen wir unser Geld und wir glauben daran, dass die Menschheit durch den Einsatz von Technologie besser werden kann. 

For the benefit of humans: Wir helfen Menschen, zum Wohle von Menschen zu arbeiten. Wohlgemerkt nicht zum Wohle der ganzen Menschheit. Wir gehen in kleinen Schritten vor und haben das Individuum im Blick.

Was tun mit diesem hart erarbeiteten Stück Text? Wer durch unsere Büros läuft, wird den Purpose an keiner Wand in großen Lettern finden. Wie sorgen wir trotzdem dafür, dass der Satz mit Leben gefüllt wird und nicht nur theoretisches Konstrukt bleibt? Wie können wir und andere wirklich Nutzen aus unserem Purpose ziehen?

Purpose leben

Gründungsgeschichte

Ein Purpose stirbt, wenn er nicht echt ist. Echt ist er, wenn er seine Wurzeln in der Geschichte und der DNA der Organisation hat. Ein Purpose braucht eine Story, und diese entsteht in der Regel aus den Gründer*innen heraus. Ein Beispiel ist Patagonia. Yvon Chouinard hat die Firma gegründet, damit Menschen ursprüngliche, “wilde” Orte entdecken können. Daraus folgte für ihn logisch, dass es diese Orte zu schützen gilt. Je größer die Firma wurde, desto wichtiger wurde dieses zugrunde liegende Commitment. Der Purpose heute: “Patagonia is in business to save our home planet.” 

Unsere These ist, dass es ohne Gründer*innen keinen authentischen Purpose geben kann. Bei UX&I ging der Purpose deshalb so natürlich in den Arbeitsalltag aller Standorte ein, weil er tief aus unserer Überzeugung heraus entstanden ist und unsere innere Haltung sichtbar gemacht hat.

Unser Purpose ist ein Kondensat unserer Gründungsgeschichte.

Ikigai

Ein fester Bestandteil des Onboardings neuer Mitarbeiter*innen ist bei uns die Ikigai-Methode. Sie dient dem Zweck, dass der Sinn unserer Organisation mit dem ganz persönlichen Sinn der Mitarbeiter*innen verglichen wird. Wir sehen uns genau an, wo es Überschneidungen gibt, wie wir auch mit Abweichungen umgehen können und wie die Stärken jedes Einzelnen so genutzt werden können, dass sie die Menschen wie auch die Firma weiterbringen. Die Ikigai-Methode hilft, mit der eigenen Persönlichkeit an den Purpose anzudocken und ihn individuell mit Leben zu füllen.

Die Ikigai-Methode ist fester Bestandteil unseres Onboardings, um ein Purpose-Fit gewährleisten zu können.
Die Ikigai-Methode ist fester Bestandteil unseres Onboardings, um ein Purpose-Fit gewährleisten zu können.
Die Ikigai-Methode ist fester Bestandteil unseres Onboardings, um ein Purpose-Fit gewährleisten zu können.

Gemeinsames Werk und Führungsaufgabe

Der Purpose ist bei uns nicht im stillen Kämmerlein entstanden. Es waren viele Mitarbeiter*innen direkt bei der Formulierung beteiligt und wir haben ihn im Rahmen unserer Reorganisation ausführlich vorgestellt und erklärt. Er wurde als unsere Firmenkultur verstanden und konnte so zum Teil der Organisation werden – zum Eigentum der ganzen Firma. 

Dies bedeutete für die Führungspersonen auch, etwas aus den Händen geben zu müssen. Zunächst entstanden durchaus gemischte Gefühle: Würden wir nicht etwas Wichtiges abgeben, indem wir unseren Sinn festlegen? Wir mussten uns auf eine neue Bringschuld einlassen.

Der Purpose nimmt der Führung die Freiheit der Tyrannei.

Den Purpose leben zu lassen ist auch Führungsaufgabe. Sie muss dahinterstehen, ihn verteidigen und zur Grundlage von Entscheidungen machen.

So profitiert das gesamte Ökosystem

Letztendlich entscheidend für die Wirkungsmacht eines Purpose ist die Frage: Erfüllt er einen Zweck? Im Folgenden erfährst du, auf welchen Ebenen wir davon profitieren, eine klare Leitplanke zu haben. Und nicht nur wir selbst, sondern auch unsere Kunden und Partner.

Passende Projekte

Gerade bei der Projektauswahl gibt unser Purpose klare Kriterien vor. Das macht unser Geschäftsmodell starrer, hilft uns aber dabei, Projekte zu finden, die wirklich zu uns passen und zu denen wir passen. Beispielsweise hatten wir eine Projektanfrage, bei der die Meinungen im Team auseinandergingen. Einzelne UXIs haben es abgelehnt, für das Unternehmen zu arbeiten, andere konnten es sich im Sinne unseres Purpose vorstellen. Darin liegt auch die Magie: Jede*r kann für sich selbst entscheiden und der Purpose lässt Raum für Interpretation. Aber es spielt keine Rolle, ob "die da oben" meinen, dass ein Projekt passt oder nicht. 

Wenn es knirscht, kommt die Frage nach dem Warum.

Der Purpose ist unsere Grundlage, auch bei schwierigen Fragen. Er nimmt die Entscheidungsgewalt von einzelnen Menschen und macht das Handeln unserer Organisation transparent und nachvollziehbar. Dies gilt intern, aber auch für unsere Kund*innen. Zwar spielt der Purpose bei der Projektanbahnung meist keine explizite Rolle, aber er gibt uns mittelbar ein klares Profil und macht schnell erkennbar, für welche Projekte wir die Richtigen sind. Auch für unsere Mitarbeiter*innen ist es ein wichtiger Motivator, wenn sie an Projekten arbeiten, die für sie sinnstiftend sind. Dies wiederum kommt unseren Kund*innen zugute – denn je größer die Motivation, desto besser sind unsere Ergebnisse.

Relevante Dienstleistungen

Aus unserem Purpose haben wir eine Unternehmensausrichtung für die nächsten Jahre abgeleitet. Sie hilft uns, unser Portfolio zielgenau auszurichten und effektive Strategien zu definieren. 

Entscheidend ist für uns beispielsweise, dass wir keine Werkbank sind, sondern Partner und Enabler. Unsere Dienstleistungen müssen unser Ziel des Empowerments klar abbilden, unabhängig von Branche oder Art des Projekts. Ob es um ein Redesign einer App geht oder um eine umfassende UX-Strategie, wir packen mit an und befähigen unseren Kund*innen. Das bedeutet auch: 

Wir sehen die Bestrebungen von Organisationen, UX als eigene Kompetenz aufzubauen, nicht als Bedrohung für unser Geschäftsmodell, sondern als eine Chance und einen Weg, unseren Purpose zu erfüllen. Wir richten unsere Firma danach aus, Menschen und die Organisationen, in denen sie arbeiten, auf ihrem individuellen Weg hin zu einer echten Menschzentrierung zu unterstützen.

Individuelles Recruiting

Um die passenden Dienstleistungen anbieten zu können, brauchen wir die richtigen Leute. Der Purpose spielt schon beim Kennenlernen von Bewerber*innen eine Rolle und wir werden oft aktiv darauf angesprochen. Der Purpose schafft von Anfang an ein Verständnis von uns als Organisation, von unserer Arbeitsweise und von unserem Menschen- und Weltbild.So können wir nicht nur fachlich die richtigen Bewerber*innen anziehen, sondern auch dafür sorgen, dass wir menschlich zusammenpassen und grundsätzlich dieselben Ziele verfolgen.

Der Purpose schafft eine ganz andere Bindung zur Firma. Er hilft uns bei unserer Mission, dass bei UX&I alle bis zur Rente bleiben wollen.

Interessant ist: Wir hatten selten den Fall, dass der Firmenpurpose mit einem individuellen Purpose so stark divergiert hat, dass er einer Zusammenarbeit im Weg stand. Umgekehrt hat der Purpose schon oft deutlich gemacht, dass jemand auf jeden Fall ins Team kommen sollte.

Dezentrale Organisation

Nochmal zurück zum Ursprung: Wir waren auf der Suche nach einer neuen Struktur für unsere gewachsene, dezentrale Organisation. Dazu mussten wir zunächst den Purpose finden. Als er feststand, konnten wir die passende Organisationsform ableiten. 

“For the benefit of humans” bedeutet für uns: menschzentriertes Arbeiten. “Empowerment” heißt: Autonomie und Selbstwirksamkeit. Wir legten uns daher auf ein soziokratisches Modell fest, das wir bis heute immer weiter ausarbeiten und für unsere gelebte Praxis schärfen.

Dezentrales Arbeiten – hier an unserem Standort in München – wird durch menschzentrierte Organisation erleichtert.
Dezentrales Arbeiten – hier an unserem Standort in München – wird durch menschzentrierte Organisation erleichtert.

Die soziokratische Organisation ermöglicht es uns, dezentrale Entscheidungsprozesse zu vereinfachen. Das funktioniert sehr gut. Auch wir haben intern Konflikte oder Streitfragen, genauso wie andere Gruppen von Menschen. Aber wir haben einen Rahmen und Prozesse, in denen wir diese behandeln, so dass etwas Positives daraus entstehen kann. Die Richtung der Firma ist gut definiert. Im Zweifel können wir immer zurückgehen zum Purpose. Stellt sich beispielsweise die Frage, ob wir weiter wachsen sollten, ist die Antwort: 

Solange Wachstum dazu führt, dass wir den Purpose besser umsetzen können, ist Wachstum gut.

Das menschzentrierte Arbeiten nach soziokratischem Muster hat übrigens viele weitere Vorteile, auch für unsere Kund*innen. Unser Kollege Christian Korff hat sie in diesem Artikel zusammengefasst: UX Mindset trifft New Work: Warum wir mensch­zentriert arbeiten.

Fazit

Für uns als Organisation und für jede*n UXI ist der Purpose ein wichtiger Anker. Er sorgt für Klarheit und stärkt die Unternehmenskultur auch über mehrere Standorte hinweg. Zudem bietet er Orientierung beim Recruiting. Nicht zuletzt hilft er unseren Kund*innen - denn sie profitieren von einem exakt passenden, transparenten und hochmotivierten Partner.

Unser Experte

Tobias Schlei, Geschäftsführer bei UX&I

Tobias Schlei

Co-Founder

Tobias hat UX&I mitgegründet. Sein Einsatz gilt dem Empowerment von Menschen. Zu seinen Schwerpunkten gehören außerdem Organisationskultur und -struktur.

Inhaltsverzeichnis
  1. Hilfe, wir brauchen einen Purpose
  2. Wie Sinn entsteht
  3. Habemus Purpose
  4. Purpose leben
  5. So profitiert das gesamte Ökosystem
  6. Fazit

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Nadine Pieper, Senior UX-Beraterin

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